„Das Alarmsignal war vor 10 Jahren da“

Die stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Ricarda Lang war beim Böblinger grünen Bundestagskandidat Tobias B. Bacherle zu Gast. Gemeinsam mit Carola Riehm, Pflegedienstleiterin in der Filderklinik, diskutierten Lang und Bacherle über die Zukunft der Pflege. 

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„Das Alarmsignal war schon vor 10 Jahren da“ – nicht erst seit der Arbeitsbelastung durch die Corona-Pandemie arbeiten die vielen Pflegerinnen und Pfleger in Deutschland am Limit. Seit Jahren fehlt es an Wertschätzung: Das zwar gut gemeinte Klatschen am Balkon könne eine faire Bezahlung, attraktivere Arbeitsbedingungen und angemessene Personalausstattungen nicht ersetzen. Das betonen Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und Carola Riehm, Pflegedienstleisterin in einer Klinik nahe Stuttgart, auf der mittlerweile sechsten Veranstaltung der Gesprächsreihe des grünen Böblinger Bundestagskandidaten Tobias B. Bacherle. 

Die Grünen-Pflegeexpertin Lang, die selbst im Wahlkreis Backnang – Schwäbisch Gmünd für den Bundestag kandidiert, ist überzeugt, dass nach 16 Jahren „reaktiver Politik“ der Großen Koalition notwendige Veränderungen in der Pflege liegen geblieben sind. Nicht nur in der Pandemie hätte sich spätes und nicht vorausschauendes Handeln gerächt. In der Pflege arbeiteten die Menschen schon seit Jahren am Zahnfleisch, Anzeichen des Pflegenotstandes gäbe es mit überlasteten Pflegekräften, hohen Aussteigerquoten zuhauf. Das erlebe sie als Politikerin sowohl in großen Universitätskliniken in Ballungsgebieten als auch in kleineren ambulanten Pflegediensten im ländlichen Raum. „Von Applaus kann man seine Miete nicht bezahlen“, außerdem verschlechtere eine zu hohe Arbeitsbelastung mit zu wenig Personal mit viel Stress und Zeitdruck die Versorgung der zu pflegenden Menschen. „Wir können bei der Arbeit nicht einfach sagen, das machen ich morgen. Sonst schadet das unseren Patientinnen und Patienten“, fügt die erfahrene Pflegedienstleiterin Riehm hinzu. „Eine Verkürzung der Regelarbeitszeit auf beispielswiese 36 Stunden würde schon viel helfen“, so Riehm, die seit 24 Jahren „mit Leib und Seele“ Krankenschwester und mittlerweile in der Filderklinik bei Stuttgart in der Pflegedienstleitung tätig ist. Sie wünscht sich von Seiten der Politik neben besseren Arbeitsbedingungen die Wertschätzung der Pflege als eigene Profession und nicht mehr als Beiwerk der Medizin betrachtet zu werden, denn „ohne Pflege geht Gesundheitswesen nicht“. Die selektive und knauserige Corona-Pflegeprämie, die beispielsweise die Altenpflege außen vorgelassen hatte, wurde in ihrem Umfeld als deutliche „Nichtwertschätzung von Seiten der Politik“ wahrgenommen. Hier gäbe es viel an Vertrauen zurückzugewinnen. Viele Beschäftigte in der Pflege, aber auch zahlreiche Medizinerinnen sowie die Gewerkschaften wären bereit für grundlegende Verbesserungen unter einer neuen Bundesregierung. „Deshalb wollen wir die Pflege gemeinsam zu einem wahlentscheidenden Thema machen. Am Ende ist eine gute Pflege ein wichtiger Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und stärkt das Gemeinwesen und das Vertrauen in den Staat.“, fügt Lang hinzu. Gastgeber Bacherle nickt: „Wir brauchen endlich einen Paradigmenwechsel hin zu einer vorausschauenden und vorsorgenden Politik.“ Damit Alarmsignale, sei es in der Pflege oder auch beim Klima, frühzeitig ernst genommen und angepackt werden könnten.