630 Abgeordnete – der Bundestag verkleinert sich
Am Freitag, den 16. März 2023, wird der Deutsche Bundestag voraussichtlich über die geplante Wahlrechtsreform final diskutieren und abstimmen. Die Wahlrechtsreform umfasst unter anderem eine feste Deckelung bei 630 Abgeordneten, gleichzeitig werden die 299 Wahlkreise beibehalten.
Der Böblinger Bundestagsabgeordnete Tobias B. Bacherle kommentiert die geplante Reform des Wahlrechts: „Es ist ein großer Erfolg der Ampel-Regierung, dass wir die längst überfällige Verkleinerung des Bundestags endlich angehen. Der überplanmäßig große Bundestag mit 736 Abgeordneten gefährdet die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestags. Die Wahlrechtsreform war ein zentrales Ziel im Koalitionsvertrag, das wir mit dem entsprechenden Gesetzesentwurf der Koalition nun in die Realität umsetzen.“
Die vorliegende Reform würde zu einer Größe von 630 Abgeordneten führen und die Überhangmandate abschaffen. Um dennoch den Wähler*innenwillen möglichst genau widerzugeben wird die Logik der Überhangmandate umgedreht: In Zukunft benötigt jede*r direkt gewählte Abgeordnete die Deckung durch die Zweitstimme, die mit dem Verhältniswahlrecht gewählt wird. Stehen einer Partei weniger Sitze durch die Zweitstimme zu, als sie Direktmandate gewonnen hat, werden in Zukunft nur die Anzahl an Wahlkreis-Erstplatzierten Kandidat*innen der betroffenen Partei einziehen, die von der zustehenden Anzahl gedeckt sind. Über die Auswahl entscheidet die Ergebnisse im Wahlkreis: Die Kandidierenden mit den höchsten Stimmanteil in ihrem Wahlkreis, ziehen in den Bundestag ein. „Die Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten schließt endgültig aus, dass der Deutsche Bundestag weiter und unvorhersehbar anwächst“, so Bacherle. Eine ähnliche Logik gibt es bereits bei der Landtagswahl in Bayern, in der Wahlkreiserste auch nur dann einziehen, wenn ihre Partei mindestens 5% erreicht. Damit macht die Ampel das Parlament effektiv und dauerhaft kleiner.
Außerdem wird die sogenannte Grundmandatsklausel entfallen. Das heißt, dass Parteien über die 5%-Hürde kommen müssen, um in den Bundestag einzuziehen. Die bisher geltende Ausnahme, nach der Parteien, die unter 5% abschnitten, jedoch drei Direktmandate gewonnen hatten, dennoch in den Bundestag einziehen, wird ersatzlos gestrichen. 2021 hatte die Linkspartei hiervon profitiert. „Das ist nicht unser Wunsch gewesen, jedoch ergibt sich nach Einschätzung von Expert*innen im neuen Wahlrecht, die Notwendigkeit die Grundmandatsklausel abzuschaffen, um einen Logikbruch zu vermeiden“, so Bacherle.
Weiter kommentiert der Böblinger Bundestagsabgeordnete: „Wir sind in den vergangenen Wochen intensiv auf die Oppositionsparteien zugegangen, um die Reform mit einer möglichst breiten Zustimmung des Parlaments zu beschließen. Dass eine Einigung nicht möglich war, ist bedauerlich.“
In Richtung der teils vehementen Kritiker*innen zeigt Bacherle auch Verständnis: „Ich verstehe, dass die Wahlrechtsreform auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig ist, denn der Vorschlag dreht die Logik der Überhangsmandate um und ändert damit das uns gewohnte System, wie Mandate verteilt werden.“ Am Ende sei es eine Abwägung in einem Zielkonflikt gewesen: Auf der einen Seite gilt es ein schlankes, effizientes und funktionales Parlament zu erhalten und ein weiteres, mögliches anwachsen zu verhindern, aber auf der anderen Seite die Erreichbarkeit und Verwurzlung von Abgeordneten auch weiterhin sicher zu stellen. „Das nun vorgelegte Wahlrecht ist am Ende das Beste, was politisch machbar war. Denn dem wichtigsten Anspruch wird es gerecht: Es erhält die grundlegende Logik des personalisierten Verhältniswahlrechts, das sowohl Direktwahlkreise mit dem Winner-Takes-It-All Prinzip kennt, aber dennoch den politischen Willen und Abbildung der Mehrheitsverhältnisse sicherstellt. Und vor allem stellen wir so sicher, dass eine faire Verkleinerung gesichert ist: Auch die Ampel-Fraktionen werden gleichermaßen von der Verkleinerung des Bundestags betroffen sein und das ist gut so.“ Bei der Polemik und Dramatik, mit der Teile der Opposition nun teilweise auf den Gesetzesentwurf reagiert hätten, endet daher das Verständnis des Grünen Abgeordneten.