Standpunkt: Wie autoritäre Kräfte unsere digitale Freiheit angreifen

In New York City findet am Wochenende der UN-Summit of the Future statt. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Bacherle warnt, dass China und Russland hier unter dem Deckmantel des internationalen Rechts die digitale Freiheit einschränken könnten.

Perfide Desinformationskampagnen sind durch die geleakten Dokumente der Social Design Agency dieser Tage in aller Munde. Die mit dem Regime Wladimir Putins verbandelte Agentur hat die gesellschaftliche Spaltung und den Aufstieg der Rechtsextremen als erklärtes Ziel. Auch Cyberangriffe der nordkoreanischen Hackergruppe Lazarus stehen für die digitale Bedrohung, die von autoritären Staaten ausgeht. Doch die Freiheit im digitalen Raum wird auch an anderer Stelle wortwörtlich verhandelt: Kaum beachtet von der Öffentlichkeit und technisch tief im Detail inszenieren sich abwechselnd Russland und China erst bei der Cybercrime Convention und jetzt bei den Verhandlungen zum ersten globalen „Digitalpakt“ als vertrauenswürdige Verhandlungspartner auf internationaler Bühne. Obwohl sie eigentlich an den Grundfesten eines freien Internets und digitaler Freiheiten sägen.

Eher früher als später hat dies direkte Auswirkungen auf uns: Denn auf die Unabhängigkeit und Dezentralität der Internetverwaltung, die Sicherheit verschlüsselter Kommunikation und den Schutz globaler, digitaler Debattenräume vor Manipulation sind auch wir angewiesen. Im digitalen Zeitalter muss die digitale Außenpolitik eine hohe Priorität in unserer Arbeit für die Freiheit und globale Sicherheit einnehmen.

Beim Global Digital Compact geht es auch um die Freiheit im Digitalen

Dieser Tage geht mein Blick besorgt nach New York, wo am Wochenende der Summit of the Future stattfindet. Hier verabschieden die UN-Mitglieder unter anderem den „Digitalpakt“ Global Digital Compact (GDC), der erstmals gemeinsame Ziele für eine globale digitale Zukunft formuliert.

Verhandelt haben den GDC die UN-Mitgliedstaaten. Die technische Community und die Zivilgesellschaft wurden im Prozess zwar formell angehört, aber die eigentlichen Verhandlungen blieben für sie eine unzugängliche Blackbox. Hinter verschlossenen Türen können autoritäre Staaten die Angriffe auf die Freiheit im Digitalen ungestörter und detaillierter fahren. Und das, ähnlich wie bei der Cybercrime Convention, auch beim GDC mit Erfolg: Der jüngste Entwurf weicht bestehende Grundprinzipien eines globalen, freien, offenen, sichereren und dezentral verwalteten Internets auf. Auch die Manipulation des Informationsraums soll nur abgeschwächt werden – gerade hier wäre ein multilaterales Regelwerk jedoch besonders wichtig.

Der digitale Raum im Visier autoritärer Kräfte

Es zeichnet sich ein Muster ab: Autoritäre Kräfte inszenieren sich als starke Verhandler und Dealmaker und setzen gleichzeitig Teile ihrer autokratischen, illiberalen Vorstellungen in der Digitalpolitik durch. Die Freiheit und die Handlungsfähigkeit einer wertegeleiteten Gemeinschaft stehen dabei gleichzeitig auf dem Spiel.

Das ist ein Zielkonflikt für die deutsche digitale Außenpolitik. Doch umso wichtiger wird aktives Engagement in internationalen Foren. Denn weder sollten wir das Feld direkt China und Russland überlassen, noch können oder wollen wir eine Zustimmung um jeden Preis zulassen.

Es wäre naiv zu glauben, dass autoritäre Kräfte es dabei belassen werden, ihre Vorstellungen von Zensur und Repression im Digitalen schlicht durch internationales Recht abzusichern. Vielmehr soll das Modell des freien Internets als für autoritäre Staaten störendes Element weltweit zurückgedrängt werden.

Einfallstore schließen, bevor sie zu unserem Problem werden

Mit der Strategie für die internationale Digitalpolitik benennt die Bundesregierung erstmals klar, welche Debatten sich derzeit abspielen, und weist den Weg: Neben guter Unterstützung und enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft braucht es dieser Tage eine klare Sprache der deutschen digitalen Außenpolitik auf internationaler Bühne.  Denn auch hier gilt eine Binsenweisheit der Cybersicherheit: Backdoors lieber schließen, sobald man sie entdeckt. Damit sich ein kurzfristiger Erfolg für die internationale Zusammenarbeit – wie ein erfolgreicher Abschluss des GDC – nicht als langfristiges Einfallstor für autokratische Träume entpuppt.

Der Standpunkt ist bei Table.Security erschienen.